Berichte aus den Vorjahren

6. Juni 1970:  Eine Vorankündigung im amerikanischen „Billboard“-Magazin ist die erste transatlantische Erwähnung des Festivals.   SECOND HAMBURG FEST IS SLATED JUNE 20-21   HAMBURG – Following the success of the Hamburg Pop and Blues Festival at Easter, Eckardt Mertens GmbH is planning another festival – the Hamburg Open Air Pop Festival, or Big Gig – for June 20-21.  Mertens claims he has already signed for the event Colosseum, Family, Keith Emerson, Manfred Mann, Renaissance, Black Sabbath, Humble Pie, Steamhammer, East of Eden, Gentle Giant and Uriah Heep.  The festival will be staged at Klein-Flottbeck near Hamburg and the organizers expect to fill the 20.000-seat venue to capacity on both days. In addition to the concerts the organizers are planning a pop fair and a full supporting program of events.  The festival will climax a wave of in-person appearances throughout West Germany over the last few weeks which has seen more international talent on parade than ever before. Karel Gott is currently making a ten-day concert tour and there have been appearances by Sam Apple Pie, Ten Years After, Leonard Cohen, John Mayall, the Herbie Mann Quintet, the Brian Auger Trinity and Deep Purple.  In addition 25 pop artists and groups appeared in the three-day Electric Rock section of the Herzberg Festival and another three-day event in the Düsseldorfer Eisstadion featured 20 international groups.  Finally a three-day Jazz Ost West festival in Nurenberg featured 23 new and established groups from Western Europe and Bulgaria, Poland and Yoguslavia.

Groupies, Roadies, Bands und eine alte Burg (16.05.1970)

In Deutschland grassiert die Pop-Festivalitis. Gründlich wie man hierzulande nun einmal ist, überschlagen sich die Festivals von Köln über Düsseldorf, Essen, Hamburg bis nach Berlin und wieder zurück. Gespickt mit Superlativen, vollgepfropft mit prominenten Namen, von denen einige dann meist kurzfristig gestrichen werden. So gibt es fast immer die gleichen Gruppen in der gleichen Umgebung.

Burg Herzberg, eine an der B 62 zwischen Alsfeld und Bad Hersfeld gelegene Burgruine (Baujahr: 13. Jahrhundert), war deshalb für notorische Festspiel-Konsumenten eine neue Umgebung. Neu waren auch die Namen der beteiligten Bands und das Anliegen der Initiatoren dieses 1. Deutschen Pop-Festivals, das vom 1. bis 3. Mai 1970 dort über die Burgmauern ging. „The Petards“, selbst eine renommierte Gruppe im innerdeutschen Beatgeschehen, hatten die von großem Idealismus getragene Idee, deutschen Bands ein Forum für alle progressiven Formen heutiger Popmusik zu verschaffen. Zudem bekamen die interessierten Fans erstmals einen Ãœberblick: Who is who?

Obwohl himmlische Schleusenwärter wohl über dem „Tag der Arbeit“ vergessen hatten, oben die Hähne abzudrehen, kamen 5000 Besucher aus allen Himmelsrichtungen. Mit Autos, gecharterten Bussen oder per Anhalter. Obligatorisches Reisegepäck: Wolldecke oder Schlafsack. Zum Ãœbernachten standen für die Mädchen ein Schlößchen und für die Jungen eine Scheune in Schrecksbach zur Verfügung. Doch in der Scheune war es zu kalt . . .

Die angebotene Verpflegung war preiswert und anspruchslos: Milch –,50, Kakao –,50, Stulle (Schrecksbachaer Bauernbrot mit Schmalz) gratis.

Anspruchsvoller waren da schon die Beiträge der meisten der zwanzig aufgebotenen Gruppen, zu deren Musik man sich im weiten Burghof (bei schlechtem Wetter in der nahegelegenen Alsfelder Festhalle) versammelte. Dort herrschte auf dem improvisierten Bandstand immer hektisches Treiben und nervöse Spannung. Promoter, Manager, Presseleute und die um einen reibungslosen Auf- und Abbau bemühten Roadies traten sich gegenseitig auf die Füße. Dazwischen buhlten Haupt- und Nebenzähne der Musiker und sonstiger Anhang (Groupies) um einen festen Standplatz. Weiter hinten wurde es dann paradiesisch. Eine unendlich bunte, in sich verschachtelte Lagerstatt. Auf jedem Quadratmeter ein Gewirr von Gliedmaßen, undefinierbar was jeweils zu wem gehörte. Köpfe in des anderen Schoß oder an die Brust gekuschelt. Dazu der magische Klangrausch aus wattgewaltigen Verstärkern und Lautsprechern. Wohlbehagen, süßer Friede, kleine eigene Welt.
Man trug die Gewänder seiner eigenen exzentrischen Wahl. Maximäntel aus Stoff oder Pelz, süßen Zwirn minigetrimmt, schwere Ketten und beschriftete Anoraks, Knobelbecher und Hush-Puppies. Dazu buntgedruckte Tücher, Bänder und Stolen. Ãœber Passionsspiel verdächtigem Bartwuchs thronten Tirolerhüte mit Feder oder Gamsbart, über flitterbesetzten Lidern wellten sich „Garbo-Hüte“. Ãœber allem schwebte der Dunst von Nikotin und sonstigen Rauchgenüssen. So genoß man wenigstens für drei Tage sein Himmelreich auf Erden.

Ãœber diese heile Welt fetzten indessen die elektrischen und elektronischen Vexierklänge mit z. T. enervierender Explosivität. Etwa die „Can“ aus Köln mit ihrem Singezahn, dessen Stimme scharf wie ein Hund und kalt wie dessen Schnauze anmutet. Oder die „Eternal Light“ mit einem Saxophonisten, der in Roland-Kirk-Manier seinen Instrumenten Sägetöne ablockte. Beim „City Preachers“-Nachlaß hat die bildhübsche Inga die altvertraute Stilschublade inzwischen zugeschoben. Der „Floh de Cologne“ zeigte originelle Einfälle, die selbst erpichte Kammerjäger milde stimmen müßten. Amon Düül, die gestandenen Allgäuer, versuchten erneut auf die unkonventionelle Verbrüderung zwischen Preußen und Bayern, zwischen Künstler und Konsument auf ihre Weise zu realisieren. Da gabs keinen Hack auf der Geige! Die Nürnberger Photohaus-Ableger „Ihre Kinder“, die ihre seichte Poesie gern als ironischen Protest gewertet wissen möchten, erwiesen sich dagegen als musikalisch harm- und zahnlos. Interessant dagegen das akustische Mixtum aus Plasticrohren, exotischen Flöten und Muschelhörnern der „Limbus 3“ aus Heidelberg. Dazwischen gab es Vergröberungen, Verfeinerungen, „Jeronimo“; Verdichtung bewegter Bluesfiguren zu Klangeruptionen, „Missus Beastly“, elektronisch akzentuierter Backbeat. „Sixty Nine“ und Geräuschfermente, die aus der Hexenküche des „Free-Jazz“ stammen könnten, „Nine Days Wonder“. „The Petards“ schließlich, als Hausherren, sorgten mit einer gekonnten Verquickung von Pop und Progressiv für einen harmonisch entspannten Ausgleich.

Es waren drei tolle Tage, in denen deutlich wurde, daß die Musik dieser Zeit nicht als Ersatz für eine defekte Berieselungsanlage taugt. Der progressive Rock mit allen seinen Antipoden hat auch bei uns die Eierschalen des Eklektizismus abgestreift. Zwar wurde musikalisch auf Burg Herzberg nicht nur erstklassiges geboten. Dennoch: Die erste Begegnung deutscher Gruppen des hier angesprochenen Genres hat gezeigt, daß sogenannte Beatopas mit ihren geplanten Abtritt von der deutschen Beatszene getrost Ernst machen sollten. „Ars longa, vita brevis“ das

Festivals – zum Sterben zu schade (17.07.1971)

Im Hessischen, auf halbem Weg zwischen Bad Hersfeld und Alsfeld, liegt Schloß Herzberg. Dort ging am vorletzten Wochenende das „Zweite Deutsche Rock-Fest“ über die aus dem 13. Jahrhundert stammenden Ruinenmauern. Zwar hatten Experten im Vorjahr (nach Fehmarn) den Festivalrausch etwas voreilig für „ausgeschlafen“ gehalten, weil anno 1970 ein Ãœberangebot an Freiluft-Meetings dem supersonischen Naturspektakel allmählich die Attraktivität entzog. Hier nun ein Exklusiv-Bericht unseres Musik-Kritikers Fritz Boensel.

Aber die kalten Füße der Veranstalter schienen winterbedingt und die Müdigkeit der Fans frühjahrs-angepaßt. Was sich schon vor einigen Wochen beim „Freedom-Festival“ in Langelsheim/Harz anbahnte, wurde jetzt auf Schloß Herzberg zur beruhigenden Gewißheit: Die nimmermüden Festivalesen sind von ihrer mutmaßlichen Lethargie genesen! In rauhen Mengen kamen sie aus allen Himmelsrichtungen rangerauscht, um persönlich zu erlauschen, was der deutsche Popmarkt in der neuen Saison an Attraktionen feilzubieten hat. Oder vielleicht auch nur, um – die rauhe Wirklichkeit mißachtend – für zwei Tage die bessere Welt zu schaffen, für ein Wochenende die klassenlose Gesellschaft zu realisieren. Die sogenannte Woodstock-Euphorie als Massenbewegung, die für diejenigen schon eben den Inhalt dieser besseren Welt darstellt, die ihre Lebensimpulse einfach aus der Kraft elektrisch verstärkter oder verzerrter Töne beziehen – sie ist offenbar noch gegenwärtig.

Die rührigen „Petards“ als Veranstalter, selbst im bundesdeutschen Popkonzert eine wichtige „Geige“ spielend, hatten sich durch das letztjährige (wetterbedingte) Defizit nicht entmutigen lassen. Diesmal belohnte herrliches Sommerwetter die von selbstlosem Einsatz geprägte Initiative und mobilisierte so ziemlich alles, was hierzulande an Popgruppcn gegenwärtig top ist: „For Example“ – 17 Gruppen – „Et Cetera“ pp! Was Klang und Namen hatte (oder letzteren hier durch eine achtbare Leistung zu erwerben trachtete) war freiwillig und für eine Mini-Gage angetanzt. Nimmt man die Resonanz der nahezu 6000 Besucher auf das astrein abgespulte „Naturereignis“ hinzu, so kann das vorweggenommene Fazit nur lauten: Eine runde Sache! Hut ab vor dem Mut zum Risiko der Veranstalter. Initiative lohnt sich noch. Das Gelände rings um den Ort des Geschehens glich einem riesigen Heerlager. Viehweiden, kurzfristig zu Parkplätzen umfunktioniert, vermochten die Masse der fahrbaren Untersätze kaum zu schlucken. Die einzige Zufahrtsmöglichkeit war teilweise hoffnungslos verstopft und mancher Zuspätgekommene mußte die letzte Wegstrecke per pedes zurücklegen, Um das Schloß herum und teilweise im Wald versteckt standen die vielen bunten Zelte und Campingbusse. Dazwischen fliegende Händler mit Erfrischungen (Spezialität: Schrecksbacher Schmalzstulle mit Kakao), Souvenirs, Posters und allerlei Kunstgewerblichem. Ehrwürdige Bäume waren mit Plakaten bepflastert, die auf kommende Veranstaltungen aufmerksam machen sollten. Belebt wurde dieses Bild durch fantasiereich gekleidete Figuren, die diesen süßen Frieden auf ihre Art genossen: Arm in Arm lustwandelnd, händchenhaltend im Gras liegend oder gemütlich „vespernd“.

Es war eine Atmosphäre des Losgelöstsein, der friedlichen Entspannung, die auch dort nicht endete, wo das hektische Treiben der Gruppen (Transport der Instrumente, Auf- und Abbau) Unruhe hätte stiften können: im Burghof. Er glich einer überbevölkerten Liegewiese, auf der man kein Bein auf die Erde bekommt. Hier war also die kleine eigene Welt der Lederfransenkinder; hier ließ sich das „haarige“ Volk ungestört von seiner Musik berieseln; hier wurde genüßlich konsumiert, statt interessiert gegähnt.

Der musikalische Ablauf der beiden Tage war, was Timing und Abfolge der einzelnen Gruppen betrifft, professionell. Es gab kaum Pannen, dafür recht hörenswerte Beiträge in den verschiedenen Kategorien. die auseinander-zu-klamüsern immer schwieriger zu werden scheint. Wer will oder kann heute noch den Free-Rock an Energie, den Electric-Rock an Einfallsreichtum oder den Hard-Rock an Lautstarke überbieten? Vielleicht ist deshalb in der neuen Popmusik die große Mixlust ausgebrochen – Verschmelzung oder Puzzlespiel? Immerhin: die Musik, die hier geboten wurde, appellierte nicht an Duselei und Weltschmerz.

Sie war weder selbstzerstörerisch noch auf Effekt getrimmt, ganz gleich welchen Genre sie entstammt. Weil die internationale Rockprominenz fehlte, konnten sich die anwesenden Bands frei und unbeschwert ausspielen. Denn:

Je berühmter die Popstars mit den geläufigen Namen werden, desto mehr vergessen sie ihr soziales und politisches Engagement. Hier gab es musikalisch nichts, was Sodbrennen in einem heraufbeschworen hätte. Hier war die Musik ganz als erlösende Alternative zu jenen Fehlentwicklungen aufzufassen, von der Pop in verschiedenen Phasen heimgesucht wurde und wird.

Etwa die perkussiven Turbulenzen der „For Example“. Oder die Soundbrause der „Improved Sound Ltd“. Von den alten Bekannten enttäuschten die Schweizer „Guru Guru“ etwas. Vielleicht hat man sie schon zu oft gehört und mag deshalb ihren anspruchsvollen Wendungen nicht mehr aufmerksam genug zu folgen. Auch die Wiesbadener „Xhol“ sollten ihrer Karawane vielleicht bei passender Gelegenheit neue musikalische Pfade erschließen. Die Rattles-Rentner Achim Reichel und Frank Dostal vermitteln auf ihrer „grünen Reise“ endlos sich wiederkehrende „Sehenswürdigkeiten“. Ihnen nahmen z.B. die anschließend frisch von der Leber weg rockenden Erlanger „Wind“ viel Wind aus den Segeln. Ãœberhaupt verhalfen „Frumpy“ mit Inga Rumpfs Holzraspel-Stimme, die hardrockenden „Embryo“ und die Kölner „Can“ (demnächst Zulieferer von Musik für neuesten Durbridge-TV-Krimi) am Sonntag abend dem Fest zu einem furiosen Finale.

Das Zweite Deutsche Rock-Fest ist ausgestanden. In den Dank an den Wettergott und die non-profit-Veranstalter „The Petards“ mischt sich die Hoffnung auf eine Wiederholung jener kurzen irdischen Seligkeit, die 6000 Fans ein Wochenende lang weltfern und naturnah genießen durften. Festivals wie dieses sind zum Sterben zu schade!

Ausgabe Süd, Nr. 26, 1971:
Die Zeitungsberichte aus den Jahren 1970 und 1971 haben wir dem Archiv von Embryo zu verdanken!

hoerzu-Kopie

(08.07.1971)

Zweites Deutsches Popfestival auf Herzberg

Das hätte selbst den wackersten Rittersmann umgehauen – aus zwanzig Lautsprecher-Riesen heulten die Gitarren. Die Szenerie auf Schloß Herzberg nahe der oberhessischen Kleinstadt Alsfeld war gespenstisch anachronistisch: von der Zinne her wehten Phonwinde weit ins Land und lockten die Dörfler zum sonntäglichen Spaziermarsch auf die Bilderbuchruine. Es gab Hippies zu sehen und einen Krach zu hören, von dem sich nicht einmal ein abgehärteter Traktorist eine Vorstellung machen konnte.

Achtzehn Bands aus allen Gauen und sechstausend Poppilger zog es auf den Herzberg zum zweiten Treff der Popgermanen im Schloßhof. Auf den Gängen und zwischen Türmen hatten kregele Händler auf Decken ihre Kettchen und Haschisch-Utensilien ausgebreitet: Pfeifchen und Spitzchen – ein würziger Hanfdampf lag über dem Fan-Lager im Schloßhof. Und während die Band namens „Franz K“ zum Glissando der Gitarren ins Hörvolk die Parole schrie „Jetzt muß gehandelt werden“, entschlief der größte Teil der von Sonne und Sound erschöpften Popgemeinde. Die Bier- und Rotweintrinker hielt es dagegen noch gerade so wach.

Zu den ursprünglich gemeldeten sechzehn Bands gesellten sich zwei Neulinge: „Magma“ aus Tübingen, ganz gut übrigens, dann die Westberliner vom „Burning Touch“. Aber den Ton gaben neben den einladenden Petards vor allem „Can“, „Embryo“, „Improved Sound Limited“, „Black Water“ und „Wind“ an. Keinen Ton, der etwa stilbildend im Geschichtsbuch der Rock-and-Roll-Kultur Eintragung finden würde. Das nicht. Denn bei allem segelt Deutschlands Jungpop noch immer im Fahrwasser der Importware aus Amerika und England. Aber immerhin haben die Versuche dazu geführt, die mittlere Niveaulinie der Londoner Modemusik zu erreichen. Besonders „Can“ „Wind“ und „Petards“.

Weniger glücklich kamen die Purzelbäume der „Mit-Aller-Gewalt-Anders-Sein-Wollen-den“ ans Ohr. Bei den „Xhol“-Mannen murrte das Auditorium ob des bloßen Bluffs – und exakt darin lag der Gewinn des zweiten Popfestes: Das Publikum ist kritischer geworden, weniger gewalttätig, hört zu und differenziert.

Zudem begünstigte die Wiederkehr der Sonne nach Wochen des Regens die gütige Laune des Herrn Hörers, Organisation und Camping waren vorzüglich – nur ein älterer Polizist stand arbeitslos neben seinem Streifenwagen. Die professionellen Provokateure blieben bei vier Mark Eintritt ohne Argument und Stürmer-Gefolgschaft.

Bilanz: „Die Popdeutschen lassen sich nicht länger vom britischen Import an die Wand drücken.“ Horst Ebert, Petards-Chef und Arrangeur des Herzberger Meetings, hatte Grund, zu frohlocken: „Wir haben alle Unkosten gedeckt. Und jetzt werden wir das Treffen jedes Jahr wiederholen.“ Fein, neben den Bad Hersfelder Festspielen den Herzberger Pop-Thing zu wissen.

(10.07.1971)

So billig!
Guter deutscher Rock auf Schloß Herzberg

Den Werbespruch seiner eigenen Plattenfirma im Sinn, macht am vergangenen Wochenende ein junger Mann aus Hamburg beim deutschen Rockfestival auf dem hessischen Schloß Herzberg angestrengt das Ohr auf. Er hatte einen Auftrag, doch er musste am Ende unverrichteter Dinge abziehen. An ihm lag es nicht. Er sollte versuchen lohnenswerte neue Gruppen für seine Plattenfirma einzukaufen. Doch alle guten Gruppen, die er zu hören bekam, Petards, Wind, Frumpy, Achim Reichel/Frank Dosdal, Can zum Beispiel, sind alle bereits in festen Händen.

Das Erlebnis des jungen Hamburgers spiegelt die Situation im deutschen Rock wieder. Die Firmen sind aufgewacht und haben die besseren Bands bereits unter Vertrag. Inzwischen kann man nämlich auch den deutschen Rock gut verkaufen.

Doch nicht nur auf der Schallplatte, sondern, wie es das Festival bewies, auch live! Die Musikshow, veranstaltet von den nahe bei Schloß Herzberg wohnenden Petards, war gut besucht und brachte auch einen kleinen Gewinn. An den beiden Tagen kamen jeweils 5000 zahlende Zuhörer in den Innenhof der ab- und hochgelegenen Burg. Die Karte für beide Tage kostete zehn Mark. Es war so billig, weil die Musiker fast zu ihren Selbstkosten spielten. Die romantische Szenerie blieb ungestört, es regnete keinen Tropfen und es war sommerlich warm.

Für Twens & Fans war Winfried Trenkler dabei. Er berichtet: Es gibt keinen einheitlichen deutschen Rock. Die Musik made in Germany fächert sich vielmehr in den unterschiedlichsten Stilrichtungen auf. Das allgemeine Niveau ist erstaunlich hoch.

Kein Festival hält seinen Fahrplan ein. Die letzten Gruppen spielten noch nach Mitternacht. Horst Ebert von den Petards sah den Grund dafür in der „mangelnden Kollegialität“ unter den Gruppen: Sie spielten zu lange und nahmen keine Rücksicht bei den Umbauten.

Schlimm traf es Empryo. Nach ihrem Auftritt wurde ihr ein Verstärker im Wert von 1400 Mark gestohlen. Das Festival soll im nächsten Jahr wieder stattfinden. Nur ein Tip: höchsten mit halb so vielen Gruppen.

Anthology
6-CD Box (LP-Format); 68-seitiges Booklet mit den Erinnerungen eines Fans von Werner Pieper, im Original mit zahlreichen farbigen Abbildungen

„Nur wenige Gruppen verstanden es, aus Konsumenten Zuhörer zu machen. Zaghafte Bewegungen kam auch beim Auftritt der Petards in die Reihe,“ berichtete die kritische Presse. In der Tat war es ein Balanceakt, poppige und undergroundige Gruppen & Fans zusammenzuführen. Glücklicherweise war das ganze Ambiente der Herzberg so aufstellend, daß fast alle Besucher des Festivals eine gute Zeit hatten. Viele sogar eine saugute Zeit. Selbst die Polizei, die argwöhnisch, aber verblüffenderweise erfolglos nach „verdächtigen“ Zigaretten Ausschau hielt, war zufrieden.
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In unserem Online-Shop gibts die „Burning Rainbow“ von den Petards in der Pressung von 1981 mit leichten Lagerspuren.

Das erste Mal ist immer ein Thema. Diesmal das erste Konzert: Für „The Boys are back in town“ bat Frank Schäfer 24 Schriftsteller und Journalisten, unter ihnen Harry Rowohlt und Ulrich Holbein, auf wenigen Seiten ihre Erinnerungen ans erste Rockkonzert zu erzählen. Mit „erstes“ nimmt es Schäfer nicht genau: Nicht das „allererste“ Konzert müsse es sein, entscheidend sei der Inititiationsmoment, geprägt durch „Bier, Schweiß, Tränen“ und jahrzehntelang konserviert in aufbewahrten Devotionalien. Nun haben derlei Reminiszenzen wohl oder übel den Beigeschmack des „früher war alles besser“. So auch hier – nur ist die Nostalgie bei Schäfer Programm. Ziel sei es, schreibt er im Vorwort, die Naivität jener ersten Konzerteuphorie und ungebrochener Rock’n’Roll-Attitüde wieder aufleben zu lassen. Die Autoren kommen dem Appell vorbildlich nach. Ob sie nun wie Rowohlt die Bedeutung präkonzertanter Straßenschlachten beschreiben oder sich wie Fritz Tietz über permanente Cola-Duschen mokieren – immer schwingt der Rausch des ersten Mals mit.

Meine Hippie-Karriere in Raum und Zeit, neulich oder wann, zerfiel erstens in etliche Phasen, und zweitens in zahllose nette Sekunden. Sobald ich hineingreife in den Eimer meines Langzeitgedächtnisses, reihen sich soundsoviele Schlüsselmomente, Snapshots und Phasen auf, schön chronologisch. Die lassen sich sogar durchnummerieren, so akribisch wie provisorisch, ungefähr so hier: Fünklein im Big Bang, Feuerköpfe auf heisser Party, ich als Nudel in der Ursuppe, ich als fleissiges Lieschen und Wuselratte. Ich als Gorilla, ich als Homo sapiens im Neandertal, ich als vorchristlicher Quasimodo…

Herzberg bei Perry Rhodan: Hier mündet der Dimensionstunnel von Terra Incognita. Die Ueeba bezeichnen ihn als Lodertunnel. Auf dem Herzberg befinden sich viele von Posbis betriebene Läden, Ruhbuden und Garküchen, bei denen die Ueeba sich frei bedienen können.